Krise.Kämpfe.Bildungspolitik

Warum die Bildungspolitik keinen eigenständigen Mikrokosmos bildet und es sich auch für Azubis, SchülerInnen und Studierende lohnt, in die Kämpfe gegen die staatliche Krisenbewältigung zu intervenieren

Ein guter Anfang…

Es scheint sich etwas zu bewegen in der Bildungslandschaft – wenn auch nur ein bißchen. Nachdem es in den letzten Wochen an zahlreichen Unis zu Besetzungen gekommen ist und auch in Bielefeld der größte Hörsaal besetzt wurde, ist das Thema Bildungspolitik wieder in aller Munde. Sogar die Bundesbildungsministerin fordert nun Reformen der BA/MA-Studiengänge, nachdem sie den Bildungsstreik im Sommer noch als ‚gestrig‘ bezeichnet hatte.

 …ist noch lange nicht genug!

Dennoch sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass unsere Forderungen nun erfüllt werden. EineAbschaffung der Kopfnoten in der Schule, die Aufhebung von Studiengebühren oder ausreichend und gut bezahlte Ausbildungsplätze stehen noch lange nicht auf der politischen Agenda. Und während beispielsweise das Rektorat der Uni nun nach außen hin Gesprächsbereitschaft mit den Studierenden signalisiert, hat es gleichzeitig den BesetzerInnen des Audi-Max die Polizei auf den Hals geschickt, und diese auch vom Gesprächsangebot ausgeschlossen. Diejenigen, die sich die alltäglichen Zumutungen im Unibetrieb nicht mehr gefallen lassen und sich den notwendigen Raum zur Diskussion und zur Organisierung des Protests genommen haben, sollen also wieder zum Schweigen gebracht werden.

Es geht um den Aufbau dauerhafter Strukturen….

 Diesen Versuch, die Protestierenden durch schwache Zugeständnisse zu ‚befrieden‘ und gleichzeitig (auch mit Polizeigewalt) die selbstorganisierten Diskussions- und Protestzusammenhänge wieder aufzulösen, sollten wir uns nicht gefallen lassen. Vielmehr ist es wichtig, auch über Besetzungs-Aktionen und die Bildungsstreik-Woche hinaus, dauerhafte Strukturen aufzubauen, in denen wir miteinander ins Gespräch kommen und uns organisieren können, um so weiterhin unsere Kritik am Bildungssystem zu entwickeln und Druck auf die Bildungspolitik auszuüben. Das Bildungsstreik-Bündnis in Bielefeld ist hierfür sicher schon ein guter Ausgangspunkt, bei dem SchülerInnen, Azubis und Studierende sich gemeinsam gegen die schlechte Bildungspolitik organisieren. Doch der Kampf sollte noch weiter gehen, denn Bildungspolitik ist kein isoliertes Phänomen!

 …und um die Vernetzung mit anderen sozialen Kämpfen!

Ob es die Kopfnoten und die Verkürzung der Schulzeit bei SchülerInnen sind, ob es die Studiengebühren, die schlechte Studienstruktur oder ein Rektorat sind, das bereit ist, den Protest von Studierenden mit Polizeigewalt zu beenden, ob es die zunehmend prekären Arbeitsverhältnisse sind, die nach Schule/Ausbildung/Studium warten, oder oder oder…die Bildungspolitik steht immer auch im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Verschlechterungen in Schule, Ausbildung und Universität gehen Hand-in-Hand mit gesamtgesellschaftlichen Verschiebungen. Die schlechten Bedingungen gegen die wir protestieren, bilden nur bildungsspezifische Aspekte einer sozialen Umverteilungspolitik, deren Imperativ lautet: Jede_r ist ihres/seines Glückes – und auch des Peches – Schmied und hat entsprechend für die Kosten selbst aufzukommen! Die Einführung von Hartz IV und öffentliche Diskussionen um ‚faule Arbeitslose‘, die an ihrer Situation selber Schuld seien, folgen derselben Logik.

 …um sich den schlechten Verhältnissen entgegen zu stellen!

Es wäre also an der Zeit, sich mit unterschiedlichsten Akteuren zu vernetzen, die sozialen Kämpfe welche bereits an zahlreichen Orten in der Gesellschaft stattfinden, zu bündeln und den schlechten Verhältnissen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Angesichts der sogenannten Finanzkrise, welche richtiger als Kapitalismuskrise zu verstehen wäre, wird dies umso dringlicher. Denn in Folge der Krise rufen PolitikerInnen jedweder Couleur nun wieder den Staat als starken Akteur an, der die angeblich schwächelnde Wirtschaft retten soll. Während in den letzten zehn Jahren drastische Sozialkürzungen mit dem Argument gerechtfertigt wurden, dass kein Geld in den klammen Staatskassen sei und der Staat seinen Haushalt konsolidieren müsse, werden nun großzügig Rettungsschirme im Umfang von 500 Milliarden Euro für kriselnde Banken und Großkonzerne aufgespannt. Dieses Geld, das angeblich nie da war, als Forderungen nach mehr Ausgaben für Bildung, mehr Unterstützung für Erwerbslose oder die Verbesserung der Gesundheitsversorgung formuliert wurden, wird nun mit lockerer Hand ausgegeben. Dabei ist weitestgehend ungeklärt, wie die Ausgaben gegenfinanziert werden sollen. Anzunehmen ist jedoch, dass sich die Kosten der Krise in den nächsten Jahren in weiteren und noch dramatischeren Sozialkürzungen bemerkbar machen. Eine weitere Kürzung der Hartz IV-Sätze oder eine Erhöhung der Studiengebühren böte sich aus finanzministerieller Sichtweise sicher an, um die staatlichen Ausgaben zu senken und so die durch die ‚Krisen-Rettungsschirme‘ entstandene Neuverschuldung des Bundes auszugleichen.

Wenn wir kein Interesse an solch einem Szenario haben und uns etwas Schöneres vorstellen können, als permanente Unsicherheit, die Individualisierung jeglicher Lebensrisiken und das Dauerschwimmen am Rande des Existenzminimums, sollten wir uns mit einer lauten Stimme in die sozialen Kämpfe einmischen und dabei den eingeschränkten Horizont der Bildungspolitik überspringen. Wie dies aussehen könnte, zeigt z.B. eine Aktion von Berliner Studierenden im Rahmen der letzten Bildungsstreik-Woche im Juni. Diese machten in der Mensa auf die Lohndrückerei bei den Angestellten der Mensa aufmerksam und solidarisierten sich mit den schlechtbezahlten Angestellten des Berliner Studierendenwerkes. Dabei betonten sie, die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen gegen die sogenannten ‚Sparzwänge‘ der Politik. In diesem Sinne kann es in Zukunft auch in Bielefeld und anderswo nur darum gehen, den herrschenden schlechten Verhältnissen entschlossen Widerstand entgegen zu bringen!

Gegen die desaströse Bildungs- und Sozialpolitik!!!

Für die Besetzung neuer Freiräume!!!

Für neue soziale Bündnisse in- und außerhalb der (Aus-)Bildungsinstitutionen!!!

Für französische Verhältnisse!!!

Flyer

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