„Don’t call me white“? – Weiße Privilegien sichtbar machen und hinterfragen!

Ist Rassismus wirklich nur in der extremen Rechten oder staatlichen Politiken zu verorten?

An der Uni Bielefeld fand in der Woche vom 2.-­6.6.08 mal wieder das „festival contre le racisme“ statt. Viele Gruppen aus dem linken und linksliberalen Spektrum haben sich an der Gestaltung des festivals beteiligt. Konsens scheint dabei zu sein, dass Rassismus dumm,   diskriminierend und menschenverachtend ist. Rassismus soll   kritisiert, und überwunden bzw. abgeschafft werden. Auch außerhalb der Uni, in der politischen Linken und darüber hinaus ist diese Position oft vorzufinden, die auch zu unterstützen ist.
Doch was ist gemeint wenn von Rassismus gesprochen wird und was wird dabei übersehen? Rassismus wird von linken Gruppen häufig vorrangig wahlweise in der extremen Rechten oder beim Staat und in seinen Gesetzen (Abschiebung, Residenzpflicht,…) verortet und   kritisiert. Dementsprechend schien auch das Programm des „festival contre le racisme“ gestaltet zu sein. Die Inhalte der Veranstaltungen sind sicher auch richtig und es gilt weiterhin dazu zu arbeiten. Besonders erfreulich war die Einladung von Gruppen aus der migrantischen Selbstorganisation wie „The Voice“.
Allerdings liegt die Gefahr der Verortung des Rassismus bei z.B. staatlichen Institutionen, darin, dass dieser in jedem Fall außerhalb von mir selbst und ‚unseren’ linken Zusammenhängen gesucht und gefunden wird, während wir selbst als Subjekte (in dem Fall   der   Autor_innen weiße mehrheitsdeutsche Subjekte) damit scheinbar nichts zu tun haben.
Dieses Verständnis halten wir für problematisch, da es entscheidende Aspekte von Rassismus als sozialem Verhältnis in das alle in dieser   Gesellschaft lebenden Menschen verstrickt sind, übersieht. In Abgrenzung dazu wollen wir Rassismus begreifen als eine gesellschaftliche (diskursive) Struktur, in dem ein bestimmtes Kräfteverhältnis zum Ausdruck kommt. Rassismus als ein Phänomen postkolonialer Gesellschaften bringt dominante, priviligierte Weiße Positionen und marginalisierte Schwarze Positionen hervor und   weist Subjekten diese zu, bzw. lässt jene als solche erst innerhalb dieser bestehen. In diesem Verhältnis gibt es zunächst kein Außen, keinen „guten“ (Sprech­)Ort, von dem aus integer kritisiert werden kann.
Eine solche verschobene und erweitete Sichtweise ermöglicht es, sowohl die Beteiligung von allen Weißen an Rassismus, als auch die Kämpfe die aus einer Schwarzen Position und Perspektive geführt werden, in den Blick zu nehmen. Dabei geht es nicht um eine   essentialisierende Festschreibung, sondern vielmehr um die   Berücksichtigung der immer schon verorteten  Sprechorte und   krass   ungleichen   Machtverhältnisse in der rassistisch
strukturierten Gesellschaft.

Wir, die Autor_innen dieses Textes, die ebenfalls aus einer weißen Position/Perspektive schreiben/handeln, sind also mitten drin im Problem-zusammenhang, nicht außerhalb, und somit aktiv an der Aufrechterhaltung eines rassistischen Verhältnisses beteiligt und profitieren davon durch uns zugewiesene Privilegien. Diese können wir nicht einfach loswerden dadurch, dass wir „anti-rassistisch“ bzw. „rassismus-kritisch“ drauf sind. Zu dieser Beteiligung gehört beispielsweise in Deutschland als legitim zugehörig anerkannt zu werden und nicht dauernd mit Fragen wie „Wo kommst du her?“ als anders angesprochen zu werden. Dazu gehört auch keinen Alltagsrassismus zu erleben und so unmarkiert als normal angesehen zu werden.

:uniLinks! liebäugelt in diesem Sinne damit, einen kritischen Blick auf die (sozialen) Räume zu richten, in denen wir uns bewegen. Dies sind Ort wie die Uni Bielefeld, die nächste Mainstream-Disko und die Lieblingskneipe – das sind aber auch (linke) Zusammenhänge wie unsere eigene Gruppe, das AJZ, die Antifa-AG, der AStA, etc., die weitestgehend privilegierte weiße Räume sind und als solche aufrechterhalten werden und somit weiß bleiben. Dies ist aus der hier vorgeschlagenen Perspektive[1] kein Zufall, sondern durch strukturelle Abgrenzungsmechanismen hervorgebracht. Wenn auch an dieser Stelle keine ausführlichere Analyse präsentiert werden kann, soll doch diese Sichtweise zum Thema gemacht werden und zur Auseinandersetzung mit den komplexen Verstrickungen der rassistisch strukturierten Verhältnisse anregen!

Gegen Rassismus auf allen Ebenen!

Weiße Privilegien und Positionen demaskieren!      

                                                                                                                      


[1] Die Perspektive bezieht sich auf die Critical Whiteness Studies, zum Einstieg zu empfehlen:

Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. 2005.

Eske Wollrad: Weißsein im Widerspruch. Feministische Perspektiven auf Rassismus, Kultur und Religion. 2005.

Flyer

 

 

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