Es gibt keinen Gott und keinen Erlöser – :uniLinks! wird immer böser!

Zur Kritik der Studentenmission Deutschland (SMD) und des Evangelikalismus

genervt von religiösen gruppierungen an der uni

Hallo, hallo!

:uniLinks! möchte die allgemeine Aufmerksamkeit für politics rund um den Stupa-Wahlkrampf nutzen, um auch auf nicht im engeren Sinne hochschulpolitische aber dennoch unangenehme Phänomene an der Uni hinzuweisen bzw. diese zu kritisieren. Dies tut schon seit längerem höchste Not im Fall der „Studentenmission Deutschland“, kurz „SMD“. Die lokale Fraktion „SMD Bielefeld“ ist mittlerweile seit etlichen Semestern in der Bielefelder Unihalle regelmäßig, gutgelaunt und kekseverteilend präsent. Die auf den ersten Blick so freundlich und tolerant erscheinenden Mitstudierenden, die sich neben ihren Infotischen beizeiten auch mit Vortragsveranstaltungen und rockig-flockiger-frommer Livemusik im Uni-Q hervortun, wollen wir hier aber nun mal ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen. Denn es besteht Grund zur Befürchtung, dass die Lockerheit dieser speziellen Christenmenschen sich im Rahmen eines rechtskonservativen bis äußerst reaktionären Geistes bewegt.

Was ist SMD?

Die SMD ist irgendetwas zwischen Verband und Netzwerk von evangelikal-christlichen und fundamentalistisch-christlichen Gruppen und existiert bundesweit an angeblich 74 Hochschulen. Die SMD ist organisiert in Strukturen der Evangelischen Kirche in Deutschland, sowie in nationalen und internationalen evangelikalen Zusammenhängen, sie finanziert sich durch Spenden. Es besteht ein „Rat“ der SMD mit Sitz in Marburg, welcher sich durch Kooptation (Ernennung, antidemokratisches Prinzip) reproduziert und der gegenüber den einzelnen Gruppen weisungsbefugt ist. Neben dem Kontakt zu angeblich 800 (!!) „Schülerbibelkreisen“ in Deutschland unterhält die SMD ein „Institut für Glaube und Wissenschaft (IGUW)“. Diese Einrichtung gibt diverse Publikationen verschiedene wissenschaftliche Themen und Disziplinen betreffend heraus. Immer geht es dabei um die Frage nach der Übereinstimmung und der Auseinandersetzung mit einem evangelikalen Christentum. Die Bielefelder SMD trifft sich nach eigenen Angaben im Raum der Fachschaft Theologie.

Was heißt „evangelikal“?

Der Evangelikalismus ist eine theologische Richtung innerhalb des Protestantismus, die sich auf die Irrtumsfreiheit der Bibel als zentrale Grundlage christlichen Glaubens beruft. Das heißt, die Inhalte der Bibel sollen wörtlich geglaubt und gelebt werden1 . Dabei spielt eine klare persönliche Entscheidung im Sinne der Bekehrung eine entscheidende Rolle. Evangelikale Christ_innen setzen sich von einem liberal eingerichteten Christentum erklärtermaßen ab. Die Bewegung existiert in verschiedenen Formen schon seit dem 19. Jhd. und ist besonders in den USA stark vertreten, wo sie politisch mit der so genannten Christlichen Rechten in Verbindung zu bringen ist. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem unter den Angehörigen der Freikirchen (Baptisten, Mennonieten, Advents- und Brüdergemeinden etc.) viele Evangelikale vertreten, die selber keine eigene Konfession bilden, sondern eher im in bestehenden Gemeindestrukturen aktiv werden. Für die Einzelnen bedeutet die persönliche Glaubensentscheidung, dass die erwünschte persönliche Beziehung (!) zu Jesus Christus Auswirkungen auf den Alltag haben muss und eine Abkehr vom alten Leben stattfindet2. Politisch positionieren sich evangelikale Christ_innen meistens rechtskonservativ, besonders was Geschlechterverhältnisse, Familienpolitik und die Sexualvorschriften angeht.

Das „IGUW“ – Kreationismus und „Intelligent Design“?

In diesem Sinne erfolgt auch die „wissenschaftliche“ Arbeit des „Instituts für Glaube und Wissenschaft“. Dort tummeln sich vorrangig evangelische Theolog_innen. Ein Fokus in der SMD scheint zumindest nach Anschein der auf den Seiten des IGUW zu findenden Publikationen eine starke Auseinandersetzung mit dem christlich-fundamentalistischen Kreationismus und der Intelligent-Design-Bewegung zu sein. Diese beiden Ideologien behaupten die direkte Schöpfung allen Lebens durch einen „Gott“. Die Grundannahmen moderner Wissenschaften, besonders die auf den Überlegungen Darwins beruhende Evolutionstheorie werden in diesem Denken abgelehnt3. Publikationen auf der Seite des „IGUW“ bekennen sich zwar nicht ausdrücklich zur ID-Position, dass alles auf der Welt bestehende direkt aus Gottes Handeln hervorgegangen sei. Es wird aber versucht eine vermittelte Position zu finden, die Teile der ID-Position übernimmt, indem die Annahme eines in den Naturgesetzen und im Ablauf der Geschichte wirkenden Gottes bestätigt wird. Allerdings scheint es keine Festlegung zu geben auf die Behauptung, alles was existent sei, sei direkt von Gott geschaffen. Insofern ist aus dieser Perspektive z.B. eine Anerkennung der Evolutionstheorie auf Basis bestimmter glaubenbezogener Vorannahmen offenbar möglich. Eine rein naturwissenschaftliche Begründung der Evolution wird aber klar abgelehnt. Zu komplex sei das Leben, um es aus zufallsbestimmter Evolution erklären zu können, zu viele Leerstellen weise diese Theorie vor. Worum es vorrangig zu gehen scheint, ist die Rettung „Gottes“ in allen wissenschaftlichen Bereichen. Hier scheinen naturwissenschaftliche Annahmen und Theorien als besonders bedrohlich empfunden zu werden. Die Ablehnung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ist in evangelikalen Kreisen ein Evergreen. So gab es in den USA schon in den 20er Jahren eine Kampagne gegen den Unterricht der Evolutionstheorie an Schulen.

Homosexualität, Familie, Schwangerschaftsabbruch

Krasser sind die über das „IGUW“ verbreiteten Positionen zu den Themenbereichen Sexualität und Familie. Gemäß den wörtlichen Passagen in der Bibel wird die Ehe als lebenslanger Bund zwischen „Mann“ und „Frau“ als einzig akzeptable Form des Zusammenlebens betrachtet. In Übereinstimmung mit mainstream-konservativen Kreisen, wie in der CDU/CSU vertreten, wird diese als Fundament von Staat und Gesellschaft angesehen. Eindeutig rechts überholt wird diese Position allerdings, wenn die in der Ehe verfasste Familie in fast schon völkischer Semantik als die einzige „grundlegende ‚lebensdienliche’ Lebensform“ bezeichnet wird, in der die Einzelnen Verantwortung für die nachfolgenden Generationen wahrnähmen. Diese Auffassung richtet sich gegen alle liberaleren Formen des Zusammenlebens, besonders aber gegen homo- und bisexuelle Menschen, sowie gegen Menschen, die sich dem heteronormativen Zwangskorsett der Zweigeschlechtlichkeit nicht unterwerfen können oder wollen. So findet sich in einer „IGUW“-Publikation, in der es um die Ablehnung des Lebenspartnerschaftsgesetzes geht, welches eine Gleichstellung von homosexuellen Paaren in einigen sozialpolitischen Fragen regelt, folgende These: „Die humane Wirklichkeit (der Ehe, ul) umzudefinieren, indem Verbindungen zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen als ‚Ehe’ oder eheähnlich mit entsprechenden Rechten und Gruppen, in denen Kinder aufwachsen, generell als ‚Familie’ bezeichnet werden, bedeutet Zerstörung jeder Kultur und jedes humanen Konsenses“4 (Hervorh. ul). Weiter heißt es dann, es sei psychologisch/psychiatrisch ohnehin nicht erwiesen, dass Homosexualität eine unveränderliche Festlegung für einen Menschen darstellt. In Verbindung mit der Behauptung des zerstörenden Einflusses von Homosexualität auf die Kultur muss dies wohl als eine Forderung nach der Therapierung von Homosexuellen verstanden werden.
Derartiges Gedankengut äußerte sich übrigens unlängst in einem Großereignis, dem so genannten „Christival“5 in Bremen Ende April 2008. Auf dieser von vielen tausend Menschen besuchten, von der ebenfalls im evangelikalen Spektrum zu verortenden Evangelischen Allianz organisierten Veranstaltung traten nicht nur schwulen-/lesbenfeindliche Gruppen in Erscheinung, sondern auch offensive Gegner_innen legaler Schwangerschaftsabbrüche. Auch diese rechtskonservative Position, welche auf die massive Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts Schwangerer hinausläuft, ist im evangelikalen Spektrum prominent vertreten. Das Christival allerdings wird auch von zahlreichen nicht evangelikalen protestantischen Organisationen unterstützt und wurde dieses Jahr vom Bundesfamilienministerium großzügig finanziert. Letzteres zeigt den nicht zu unterschätzenden Einfluss der Evangelikalen auch in Deutschland.

„Mission“ – ein Skandal

Unabhängig von diesen Inhalten muss die SMD schon auf Grund ihres Selbstverständnisses kritisiert werden. Der Begriff der „Mission“ wird mit im Namen geführt und so ist auch der Auftritt der SMD in der Unihalle zu verstehen: Es geht um Missionierung der nicht-gläubigen Kommiliton_innen zu bibeltreuen Christ_innen. Dies läuft einer demokratischen Einrichtung der Verhältnisse an der Uni und anderswo direkt zuwider und kann nicht akzeptiert werden.
Besonders unangenehm ist der Begriff der Mission aber in seinen historischen Kontexten. Die christliche Mission ist geschichtlich und noch gegenwärtig untrennbar verknüpft mit der kolonialen/imperialen Expansion Europas, die einherging mit unzähligen ermordeten, vergewaltigten und versklavten Menschen in anderen Teilen der Welt. Das Missionsprojekt gehört schon auf Grund dieses Hintergrundes radikal kritisiert und muss endgültig gestoppt werden. Dass der Bezug für die Gegenwart hier keineswegs herbeikonstruiert ist, zeigt beispielsweise die im Netz beworbene Veranstaltung einer SMD-Gruppe in Braunschweig6  am 12.6.08 unter dem Titel „Missionare – Gottes Mitarbeiter heute – Ein ehemaliger Afrikamissionar berichtet von seinen Erfahrungen“. Ohnehin gründete sich innerhalb der SMD schon 1963 ein „Arbeitskreises für Weltmission“. Die meisten evangelikalen Christ_innen haben einen Absolutheitsanspruch, alle anderen Religionen werden als Irrwege abgelehnt.

Dem reaktionären Umtrieb im christlichen Schafspelz entgegentreten!

:uniLinks! wendet sich gegen die Präsenz der SMD in der Uni Bielefeld. Es ist nicht akzeptabel, dass die Unihalle, sowie die Fachschaftsräume der Theologie von einer Gruppe genutzt werden können, die, in Tradition der mörderischen christlichen Mission, offnensiv diskriminierende und antiemanzipatorische Politik betreibt. Die Positionen der SMD und der evangelikalen Strömung, vor allem im Bereich der Geschlechter- und Sexualitätspolitik, stehen einer demokratischen Universität und einer herrschaftskritischen Bildung und Wissenschaft entgegen.
:uniLinks! liebäugelt darüber hinaus angesichts des gegenwärtigen Erstarkens christlicher und anderer religiöser Bewegungen und Ideologien mit der vermehrten (Wieder-)Aufnahme der generellen Kritik der Religionen durch eine emanzipatorische Linke.

SMD raus aus der Uni!

Theologie zu Religionswissenschaft!

Kirchen zu psychedelischen Tanzsälen!

 

1 Dazu ein Zitat aus den „Glaubensinhalten“ der SMD Bielefeld: „Die Heilige Schrift (Bibel) ist von Gott eingegeben und völlig vertrauenswürdig. Sie ist höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und des Lebenswandels.“ [http://www.smd-bielefeld.de/index.php?option=com_content&task=view&id=14&Itemid=41] Zugriff 4.6.08

2 Dazu die „Ziele der Arbeit“ der SMD Bielefeld:    

„1. Durch persönliches und gemeinsames Bezeugen des Evangeliums Schüler, Studenten und Akademiker zur Begegnung mit   Jesus Christus zu bringen, damit sie errettet werden;    

2. uns gegenseitig zu helfen, unser ganzes Leben von Jesus Christus her zu gestalten und uns zum Gehorsam gegen Gott und  sein Wort anzuhalten, damit wir im Glauben als lebendige Glieder seiner Gemeinde wachsen.“  [http://www.smd-bielefeld.de/index.php?option=com_content&task=view&id=12&Itemid=41] Zugriff 4.6.08  

3 :uniLinks! möchte sich mit dieser Bemerkung nicht unkritisch/unreflektiert in das Projekt der modern-aufklärerisch-positivistischen Wissenschaften einreihen, der rationalistische Anspruch der bürgerlichen Universität gegenüber religiös motivierten Lehren muss aber dennoch auch aus emanzipatorischer Sicht unbedingt verteidigt werden!

4  Mayer, Rainer: Zehn Fakten und Argumente zum „Lebenspartnerschaftsgesetz“ [http://www.iguw.de/] Zugriff 31.5.08, siehe Textsammlung

5 [http://de.indymedia.org/2008/04/214587.shtml] Zugriff 2.6.08

6 [http://gruppen.tu-bs.de/studver/SMD/] Zugriff 31.5.08

Flyer

 

 

 

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