Über das Elend der Hochschulreformen

Ein hochschulpolitischer Rundumschlag

Die nun auch in Bielefeld erfolgte Etablierung des sogenannten Hochschulrates als neuer Leitungsinstanz der Universität bildet nur ein weiteres Mosaiksteinchen in einem viel grundlegenderen Prozess des Umbaus der gesamten europäischen Hochschullandschaft. Dieser unter dem Label des ‚Bologna-Prozesses’ vollzogene Umbau, führt dazu, dass die Möglichkeiten kritischer Wissenschaft und kritischen Studierens systematisch eingeschränkt werden. Dabei lassen sich die Auswirkungen der Reformen auf ganz unterschiedlichen Ebenen – auch direkt an der Uni Bielefeld beobachten. Hiervon und wie der AStA damit umgeht, sollen die folgenden Seiten han-
deln.

Bologna und die Folgen  

Die Hochschulverwaltung orientiert sich zunehmend an ökonomischen Kriterien und wird schrittweise entdemokratisiert, wofür der Hochschulrat nur das herausstechendste und aktuellste Beispiel bildet. Waren Unis vormals staatliche Einrichtungen mit einem klaren Bildungs- und Forschungsauftrag, werden sie nun zunehmend nach unternehmerischen Kriterien geführt. Bei zunehmender Verknappung ihrer Ressourcen sollen sie effizient haushalten und können im Falle des Misslingens schon mal Insolvenz anmelden, also pleite gehen; Hochschulrankings werden eingeführt in deren Folge die Gelder nicht nach Auslastung, sondern durch formale Leistungsmessung verteilt werden.
Genauso wird auch wissenschaftliche Forschung auf ökonomische Verwertbarkeit umgestellt, wissenschaftliche Arbeitsverhältnisse werden prekär organisiert und die Qualität der Forschung verstärkt anhand der Quantität eingeworbener Drittmittel gemessen. In der Konsequenz müssen sich Forschungsvorhaben an ihrer kurzfristigen Verwertbarkeit orientieren, um sich überhaupt Hoffnung auf Finanzierung machen zu können. Ein Hinterfragen der Ziele oder Kritik am bestehenden Schlechten erübrigt sich selbstverständlich – Selbstreflexion? Unnötig! Unterstrichen wird diese Tendenz noch durch eine Berufungspolitik, die kritisch orientierten ForscherInnen den Weg in die universitären Strukturen zunehmend verunmöglicht .
Parallel hierzu wird das Studium durch Modularisierung stark verschult. Die Ausrichtung an berufspraktischen Ausbildungszielen und die damit verbundene Einführung von BA-Studiengängen zwingen die Studierenden, sich effizient und konzentriert an kanonisierten Wissensvorgaben zu orientieren. Studiengebühren und verschärfte Aufnahmeregelungen tun ihr Übriges, um selbstbestimmtes und kritisch hinterfragendes Lernen zu verhindern sowie studentische Selbstverwaltung und Selbstorganisation gravierend zu erschweren.

…und die Uni Bielefeld?

Die Politik des Rektorates an der Uni Bielefeld lässt sich wohl am Treffendsten als „vorauseilender Gehorsam“ bezeichnen. So war die Uni Bielefeld Vorreiter bei der Umstellung des Studiums auf die BA/MA-Struktur und hat sich bereits mit der Ausgestaltung einer Gebührenordnung beschäftigt, als es noch nicht einmal das Gesetz gab, welches die Erhebung von Studiengebühren überhaupt erlaubt.
Gleichzeitig verfolgt das Rektorat eine Strategie der Marginalisierung und Einschüchterung studentischer Einwände und Proteste gegen die Hochschulreformen. Mit dem Hochschulrat wird die bisher noch rudimentär vorhandene Beteiligung studentischer Stimmen an der Uni-Selbstverwaltung komplett abgeschafft, so dass die Studierenden in Unibelangen über kein institutionalisiertes Sprachrohr mehr verfügen. Versuchen sie dennoch, sich eine Stimme zu verschaffen, müssen sie mit Repression seitens der Unileitung rechnen. So ließ diese erst jüngst die Gründung von Hochschulrat und des sog. Exzellenzclusters „Cognitive Interaction Technology“ massiv durch den Sicherheitsdienst ‚Prodiac’ und Polizei schützen. AktivistInnen, die sich dennoch Zugang zur eigentlich öffentlichen Veranstaltung verschafften, um ihre Kritik am Hochschulrat hörbar zu machen, wurde daraufhin mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch gedroht. Zahlreichen anderen wurde, teils unter Gewaltanwendung, der Zugang zur Veranstaltung im Audimax verwehrt.

…was tut der AStA dagegen?

In erster Linie bemüht sich der AStA im Spiel der Großen ernst genommen und als Akteur wahrgenommen zu werden. So sorgt sich der AStA ohne eine grundlegende Kritik am Hochschulrat und dessen Einbettung in den neoliberal orientierten Umbau der Universitäten zu üben, vor allem darum, in diesem Gremium, welches die Demokratie an der Uni endgültig ins Jenseits befördert auch für Studierende eine Stimme zu reservieren. Dass diese Forderung letztlich einer Legitimierung des Gremiums, welches entsprechend des Hochschulfreiheitsgesetzes von Universitätsexternen dominiert wird, gleichkommt, wird dabei geflissentlich übersehen. Die Hauptsache ist wohl – wie perspektivlos auch immer – wenigstens mit am Tisch zu sitzen, um hier und da anzumerken, dass dieses oder jenes aber nicht im Interesse der Studierenden sei. Anstatt offensiv gegen den neoliberalen Unsinn anzugehen und ihn einer massiven Kritik zu unterziehen bemühen sich der AStA und die ihn tragenden Listen also, das Spiel der Macht aus der Position des/der ohnmächtigen Mahner_in heraus weitestgehend mitzuspielen.

Zugleich werden Initiativen, in denen sich Studierende selbst organisieren, um kritische Inhalte an der Uni zu etablieren, misstrauisch behandelt. Als besonders eindrückliches Beispiel zur Illustration soll folgender, ebenso trauriger wie entlarvender Sachverhalt dienen: Die Antifa AG forderte für den aktuellen Haushalt eine Erhöhung ihres Etats, um die eigene, frei zugängliche Bibliothek aufstocken und eine Ausweitung ihrer Informations- und Diskussionsveranstaltungen vornehmen zu können. Daneben sollte auch noch Geld zur Erneuerung der Ausstattung bereitgestellt werden. Die AStA-Mehrheit im Stupa genehmigte einzig das Geld zur Erneuerung der Ausstattung. Im Haushalt wurde festgeschrieben, dass das zusätzliche Geld auch nur für Ausstattung, nicht aber für Bücher oder Veranstaltungen verwendet werden darf. Hier wird offensichtlich ein hübsches Erscheinungsbild mehr Wert geschätzt, als die inhaltliche politische Arbeit der Antifa AG, der ganz offensichtlich mit Skepsis und Ablehnung begegnet wird.
Dieses Beispiel ist typisch für eine grundlegende (schon seit Jahren stabilen) Positionierung des AStAs, der die finanziellen Spielräume, welche ihm durch die Beiträge der Studierenden zu Verfügung stehen nicht im Geringsten ausnutzt, um selbstorganisierte, kritische Initiativen zu unterstützen oder selber welche anzustoßen. Stattdessen werden Jahr für Jahr zigtausende von Euros in einen Rücklagentopf  abgelegt (in diesem Jahr 200.000 €) und angeblich für schlechte Zeiten gespart. Dass die Zeiten jedoch kaum mehr schlechter werden können und das Geld sicher schon vor ein paar Jahren (lange vor dem Hochschulrat) bspw. viel besser für machtvolle Kampagnen, Streiks und Aktionen gegen die Einführung von (Langzeit-)Studiengebühren und die Etablierung neoliberaler Strukturen an der Uni angelegt gewesen wäre, wird ignoriert – womit letztlich sogar ‚Beihilfe’ zur widerspruchsfreien Durchsetzung solcher Strukturen geleistet wird.

Uns kotzt das mächtig an!

Deshalb wendet sich :uniLinks! gegen die Politik des AStAs und plädiert für eine Stärkung autonomer und selbstorganisierter Strukturen an der Uni. Wir möchten ermöglichen, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo Eure und unsere inhaltliche Arbeit geleistet wird, dort, wo jede und jeder direkt und ohne Wahlen aktiv werden kann.
Damit einhergehend plädiert :uniLinks für eine grundlegende Kritik von Hochschulrat und neoliberalen Reformen, anstatt diese durch das Bemühen im ‚Konzert der Großen ’ mitspielen zu dürfen, auch noch (ungewollt) zu legitimieren.
Vor diesem Hintergrund hält :uniLinks weiter an dem Ziel einer Erweiterung herrschaftskritischer Perspektiven an den Hochschulen fest. Dazu scheint es zunächst wichtig zu sein, die hinter den aktuellen Reformen liegende Logik als politisches Programm zu identifizieren. Dieses tritt meist im Mantel vermeintlich interessenentbundener Sachzwänge in Erscheinung. Eine solche scheinbare Alternativlosigkeit muss in Frage gestellt werden. Hierzu sollte die Umstrukturierung der Hochschulen im gesamtgesellschaftlichen Kontext kritisiert werden. Das neoliberale Programm an den Unis macht nur Sinn, in dem es sich auf die durch den Kapitalismus notwendig hervorgebrachten  Krisen bezieht, welche Bedingung des Programms sind. Darum kann Kritik hier ohne generelle Gesellschaftskritik nicht auskommen. Letztere wiederum sollte von kritischen Wissenschaften mit formuliert werden. Dies scheint im Interesse eines Verbleibs und Ausbaus der Möglichkeiten kritische Wissenschaften überhaupt betreiben zu können absolut notwendig. Und hier sollten sich Studierende wie Lehrende gleichermaßen angesprochen fühlen.
:uniLinks! geht es mit dieser Kritik der aktuellen Hochschulreformen und der damit verbundenen Forderung eines politischen Kampfes gegen diese Reformen, wie bereits erwähnt, nicht um eine Idealisierung alter Verhältnisse. Kritische Wissenschaften sowie der politische Kampf für ihr Bestehen sollten vielmehr als Teil eines gesellschaftlich emanzipatorischen Projekts verstanden werden. In diesem Sinne sollte die Möglichkeit der Kritik ausgebaut und mit andernorts stattfindenden sozialen Kämpfen verknüpft werden. Auch fordern wir die Ausweitung demokratischer Verhältnisse an den Unis und darüber hinaus!

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