Keine Kooperation der Uni Bielefeld mit Kriegsintellektuellen!

Gibt es eine Zusammenarbeit mit der Stiftung „Neue Verantwortung“? :uniLinks! vertritt eine antimilitaristische Position. Antimilitarismus bedeutet für uns neben vielem anderen, die Kritik von staatlichen und privatwirtschaftlichen Projekten, die die Militarisierung der Gesellschaft befördern. Darum sehen wir es als eine unserer Aufgaben an, auf Verbindungen der Uni Bielefeld zur Bundeswehr hinzuweisen und diese scharf zu kritisieren. Dies soll dazu beitragen, die öffentliche Akzeptanz solcher Verflechtungen von Wissenschaft und Militär zu bekämpfen. Seit 1999, also seitdem Deutschland mit seiner Bundeswehr, der Nachfolgerin der Wehrmacht, wieder in aller Welt Krieg führt, wird es immer normaler, dass das Militär im gesellschaftlichen und alltäglichen Leben präsent ist. Dem wollen wir uns mit diesem Text entgegenstellen!

Wer die offizielle Internetseite der Universität Bielefeld besucht und sich mit einem Klick über die „Forschung an der Universität Bielefeld“ informieren möchte, stößt schnell auf einen Link am Rand. Unter „Aktuelles“ findet sich dort neben Informationen zur Drittmittelvergabe, ein Verweis auf die „Stiftung Neue Verantwortung“, mit dem Zusatz „Think Tank zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“. Wir wollen hier darüber informieren wofür diese Stiftung wirbt und welche Konsequenzen sich unserer Auffassung nach bezüglich der Universität daraus ergeben.


Stiftung „Neue Verantwortung“

Die Stiftung „Neue Verantwortung“ schreibt über sich, sie fördere „das interdisziplinäre und sektorübergreifende Denken entlang der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen und Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Durch ihr Fellow- und Associate-Programm bringt die Stiftung herausragende Vordenker aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammen, die im Rahmen zeitlich befristeter Projekte kreative Ideen und Lösungsansätze entwickeln und diese mittels verschiedener Publikations- und Veranstaltungsformate in den öffentlichen Diskurs einbringen.“ Damit reklamiert sie einen typischen Anspruch von sog. think tanks, mit inszenierten Debatten einen wirksamen Einfluss auf Politikabläufe nehmen zu wollen. Dabei versteht sie sich zudem als „gemeinnützig“ und „unabhängig“. Diese Selbstdarstellung ist jedoch falsch. Einem anti-egalitären und anti-demokratischen Ansatz nach, möchte sie ein vernetztes Elitenprojekt über ihr „Leadership Lab“ aus der Taufe heben, welches intellektuelle Führungspersonen (hier euphemistisch „herausragende Köpfe“ genannt) ausbildet, die in gesellschaftlichen Debatten den Ton angeben und die öffentliche Meinung im Sinne der Interessen der Stiftung beeinflussen. Auch ist die Stiftung nicht unabhängig, wird sie doch von ihren zahlungskräftigen Mitgliedern – namenhafte Unternehmen – gesponsert. Neben der Otto Beisheim Holding GmbH, Knauf KG, Bosch GmbH und vielen anderen, ist auch der größte europäische Rüstungskonzern EADS Defence and Security als Finanzier vertreten („Premium-Level“). Die vor allem deutsch-französische EADS, am bekanntesten ist ihre Tochterfirma Airbus, baut alles was für moderne Kriege notwendig ist: Kommunikationssysteme, Elektronik, Kampfflugzeuge, Lenkraketen usw. Das heißt, ihre Produkte werden für das Töten von Menschen entwickelt und heute in verschiedensten Staaten eingesetzt. So wird hier allein durch die Mitgliedschaft von EADS, ein unmittelbares Kriegsinteresse vertreten (Einige sogenannte Associates sind bei EADS beschäftigt, siehe Punkt „Mitglieder der Stiftung“). 
 Das Projekt „Transformation der Bundeswehr“

Ein Projekt der Stiftung liegt im Vorantreiben einer Transformation der Bundeswehr. Die Stiftung tritt aktiv für die internationale Kriegsführungsfähigkeit der Bundeswehr („Armee im Einsatz“) ein, die ihrer Ansicht „…nur schleppend [erfolgt], nicht zuletzt weil kein Konsens darüber besteht, was eigentlich letztlich das Ziel des Prozesses ist.“ Die politische Elite sei darüber zwar einig, es fehle aber eine „intensive gesellschaftspolitische Debatte über die zukünftige Rolle der Streitkräfte.“ Die Stiftung klagt: “In der Außenpolitik stehen ambitionierte Ziele und langfristig verfügbare Mittel nicht im Verhältnis zueinander. Im Inneren steht die Bundeswehr ebenfalls vor großen Herausforderungen.“ Kritisiert wird also einerseits, dass zu wenig Ressourcen für die Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden und anderseits werden die Widerstände und Kritik im Land gegen die Bundeswehr und ihre Kriege als Problem begriffen. So empfiehlt die Stiftung, konkrete und parteiische Diskussionen über bundeswehrbetreffende Fragen in der Öffentlichkeit zu initiieren: „Wie muss die Bundeswehr in Zukunft ausgerichtet werden? Wie kann der gesellschaftliche Rückhalt der Bundeswehr gestärkt werden? Welche Lehren muss die deutsche Sicherheitspolitik aus dem Afghanistaneinsatz ziehen? Welche Zukunft hat die Wehrpflicht, und welche Herausforderungen ergeben sich aus möglichen Ersatzmodellen für die Operationsfähigkeit der Bundeswehr und ihre Verankerung in der Gesellschaft?“

Mit diesen Fragen bringt diese scheinbare Kooperationspartnerin der Uni Bielefeld also Folgendes deutlich zum Ausdruck:

  1. Die Stiftung ist Gegnerin einer an der Bundeswehr desinteressierten oder ihr gegenüber kritischen Öffentlichkeit. Sie ist für Formen der Militarisierung und des Militarismus offen und überlegt wie diese Öffentlichkeit für Kriege zu werben ist.
  2. Die Stiftung möchte die Kriegsführung im Lichte zukünftig geplanter Kriege effektiveren.
  3. Die Bundeswehr soll im Fall einer Abschaffung der Wehrpflicht ihre bisherige Stärke in jedem Fall behalten.

Bedient werden von der Stiftung also hauptsächlich Interessen der Rüstungsindustrie und der Bundeswehr. Dieser Militärisch-Industrielle-Komplex bedeutet für die Allgemeinheit im Inland Zwangsarbeit und Zwangsausbildung zum Töten (Wehrpflicht) und im Ausland die materielle und existenzielle Bedrohung von Menschenleben durch Krieg und Aufstandsbekämpfung.

Die Mitarbeiter_innen der Stiftung:

Die Stiftung beschäftigt für den Themenbereich „Transformation der Bundeswehr“ mehrere Fellows, die ausnahmslos eine starke akademisch-militärische Anbindung besitzen: Timo Noetzel – Senior Policy Advisor des Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, politischer Berater beim ISAF Regional Commander North, politischer Berater des Allied Joint Force Commanders in Brunssum. Bastian Kuhl – Offizier im Deutschen Heer (1995-2008), Chefredakteur des NATO-ISAF-Radios in Afghanistan bei der Truppe Operative Information (2004,2005,2007) Oliver Lenz – Grundsatzreferent und Redenschreiber im Planungsstab des Bundesverteidigungsministerium.
Nicole Schilling – Dezernentin für Personalgrundsatzangelegenheiten des Sanitätsdienstes im Personalamt der Bundeswehr. Wahrnehmung militärischer Führungsverantwortung als Einheitsführerin in Afghanistan und Bosnien-Herzegowina. Tim Wagner – Projektleiter bei EADS Deutschland GmbH, Offizier bei der Deutschen Marine (1994-2006). Expertise: „europäische Rüstungsindustrie“. Martin Zapfe – Offizier der Reserve, Mitautor von Studien zur Führungsorganisation der Bundeswehr und zum ISAF-Einsatz in Afghanistan und Verfasser wissenschaftlicher Aufsätze zu Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Expertise: „Operative Herausforderungen von neuen Konfliktszenarien“.

Martin Zapfe und Thomas Rid schrieben für die Financial Times Deutschland am 13. April 2010, einen Artikel unter dem Titel „Militär verdient Gehör“. Darin sprachen sie sich dafür aus, die Kompetenzen und öffentliche Präsenz der Bundeswehr auszubauen. „Die Regierung und der Bundestag haben das Recht auf einen privilegierten Zugang zu militärischem Rat. Und die Bundeswehr entscheidet nicht selber über ihre Einsätze, sondern wird eingesetzt. Doch wer ‚vernetzte Sicherheit’ fordert, der fordert gleichzeitig mehr politischen und militärischen Sachverstand in der demokratischen Debatte. Nur so kann verhindert werden, dass die öffentliche Unterstützung für den Einsatz noch weiter abrutscht.“ Timo Noetzel führt in seinem Artikel „Beendet die Kleinstaaterei der EU-Mitglieder in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik!“ die getöteten Zivilist_innen in Afghanistan nicht auf die konkreten Tötungsbefehle zurück, sondern einzig auf mangelndes technischs Know-How der Bundeswehr: „Die Armee soll sich gegen die Aufständischen durchsetzen, dabei aber unbedingt Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen. Um ihr eigenes Leben zu schützen, benötigen die Soldaten bestmögliche Ausrüstung und die modernste Technologie, zum Beispiel im Bereich der Aufklärung und der Kommunikationsmittel.“ Das gravierendste Problem des Militärs sieht er also in dessen Unterfinanzierung “Gleichzeitig ist die Bundesregierung in Berlin aber mit dem Problem konfrontiert, das Budget einschließlich des Verteidigungshaushalts zu kürzen und Rüstungsprojekte zu reduzieren, zu strecken oder ganz zu streichen.“ Noetzel dagegen würde gerne den gesamten europäischen Verteidigungshaushalt erhöhen um nach US-Vorbild „einsatzfähiger“ zu sein.


Fazit:

Eine ergebnisoffene oder kriegskritische Diskussion liegt der Stiftung somit selbstverständlich vollkommen fern. Sie möchte den öffentlichen Diskurs über Bundeswehr und Rüstungsindustrie dominieren und lenken. Damit würde die Stiftung, wäre sie in irgendeiner Weise an der Uni vertreten, den universitären Kommunikationsraum angreifen, um ihn einzig für seine Interessen zu instrumentalisieren. Finanzierungsmitglieder und Mitarbeiter_innen stammen aus dem Bereich Militär und Rüstung und agieren offen in deren Sinn. Ihnen geht es nicht um Abrüstung oder eine friedlichere oder gerechtere Welt sondern um das Gegenteil – die Aufrechterhaltung und den Ausbau gegenwärtiger Macht- und Unterdrückungsverhältnisse. Dies drückt sich aktuell vermehrt in verschiedenen Ordnungskriegen aus, vor allem in der direkten oder indirekten militärischen und/oder polizeilichen Unterwerfung von Bevölkerungen vornehmlich in Trikontstaaten (Südamerika, Afrika, Asien). Die Stiftung ist damit weder unabhängig noch gemeinnützig. Ein wissenschaftlicher oder sozialer Nutzen dieser politischen Ideologiefabrik für die Universität ist nicht gegeben.


Wir fordern:

Erstens eine öffentliche Aufklärung und Stellungnahme des Rektorats darüber, warum an einer so wichtigen Stelle (Bereich Forschung) auf der Internetpräsenz der Universität, ein Link zur „Stiftung Neue Verantwortung“ platziert wird, ohne auch nur annähernd Auskunft darüber zu geben, welcher Zusammenhang zwischen Stiftung und Universität besteht. Zweitens eine öffentliche Distanzierung der Universität Bielefeld von der durch die europäische Rüstungsindustrie mitfinanzierten Stiftung und ihren Mitarbeiter_innen, die ganz offen und intensiv für eine Militarisierung der Gesellschaft werben. Drittens die Integration einer Zivilklausel in die Grundordnung der Universität Bielefeld, die diese und andere Formen militärischer Einflussnahme auf die Hochschule verhindert, indem die Uni sich verpflichtet, in keinster Weise Rüstungsforschung zu betreiben oder solcher Forschung zuzuarbeiten.


Militarisierung der Gesellschaft stoppen!

Bundeswehr abschaffen!

Nato auflösen!

Flyer

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