Uni-Ehrenbürgerschaft für Rudolf Oetker?

Wie Ihr sicherlich der Neuen Westfälischen entnommen habt, plant die Universitätsleitung, Rudolf August Oetker die Ehrenbürgerschaft der Universität anzutragen. Dies ist die höchste Würdigung, die unsere Universität verleihen kann.

Wir fragen:
Wie kann eine Universität eine Person ehren, die ein derart unkritisches Verhältnis zur Nazivergangenheit ihres Stiefvaters in der Öffentlichkeit vertritt?

Richard Kaselowsky, der Stiefvater Rudolf Oetkers, war Mitglied des „Freundeskreis Reichsführer SS Heinrich Himmler“ und hat mit engagierter finanzieller Förderung die Ziele der SS unterstützt.

Trotzdem benannte Rudolf Oetker die von ihm gestiftete Bielefelder Kunsthalle nach seinem Stiefvater und ehrte ihn dort mit einer Gedenktafel als Opfer des Krieges ohne auf seine Verstrickungen in das NS-Regime hinzuweisen. Der renommierte Sozialhistoriker Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler hat im Zuge der Auseinandersetzungen um jenes Richard-Kaselowsky-Haus wiederholt deutlich gemacht, was für ein politischer Skandal die öffentliche Ehrung eines solchen Mannes darstellt, unabhängig von der persönlichen Nähe und Dankbarkeit, die Oetker seinem Stiefvater gegenüber empfunden haben mag. Auf massives Drängen einer überregionalen Öffentlichkeit hin wurde der Name des Museums Ende der 90er Jahre auf „Kunsthalle Bielefeld“ gekürzt. Die Oetkerfamilie zog daraufhin ihre Kunstsammlung aus dem Hause zurück.

Anfang diesen Jahres konnte sich die Schwiegertochter Rudolf August Oetkers bei den Bielefelder Ratsfraktionen damit durchsetzen, eine Straße in „Kaselowsky-Straße“ umzubenennen. Die ARD berichtete verständnislos über die Motivation der kommunalen ParlamentarierInnen.

Wir fragen:
Wie kann die Universität einen Mann ehren, der sich im Hinblick auf die Nazivergangenheit seiner Familie damit hervorgetan hat, in öffentlich exponierter Stellung Verantwortung herabzuspielen und Zusammenhänge zu bagatellisieren?
Wie kann eine Universität durch eine solche Ehrung diesen Umgang mit Geschichte indirekt gutheißen?
Warum diskreditiert sich jemand, der einem Naziverbrecher ein Denkmal setzt, nicht automatisch für die Erlangung universitärer (und anderer) Ehrenwürden?

Das Rektorat argumentiert mit den großen Verdiensten Oetkers für die Universität.

Richtig ist: Oetker hat sich dafür eingesetzt, dass die Universität überhaupt nach Bielefeld kam. Er war der Hochschule als Vorstandsvorsitzender der Universitätsgesellschaft zunächst auch aktiv verbunden. Diese guten Beziehungen erfuhren dann aber merkliche Kühlung als Rudolf August Oetker im Kontext der Entführung seines Sohnes 1976 in Zeitungsinseraten die Todesstrafe für den Entführer forderte. Dies ging der juristischen Fakultät entschieden zu weit und auch der Senat äußerte sich seinerzeit kritisch hierzu. Auf Nachfrage erklärte Rektor Timmermann übrigens, er sei nicht darüber informiert, ob die Todesstrafenforderung jemals zurückgezogen worden sei.

Seit dieser Geschichte beschränkte sich das Engagement Rudolf August Oetkers auf die Ausübung des Schatzmeisteramtes in der Universitätsgesellschaft. Ende der 80er zog er sich ganz zurück.

Uns scheint: Erst jetzt in Zeiten finanzieller Schwierigkeiten der Universität wird diese Beziehung von der Universitätsleitung neu entdeckt und bewertet.

Die Universitätsleitung bestreitet diesen Zusammenhang in der Öffentlichkeit. Gleichzeitig ließ sie aber verlauten, diese Ehrung solle ein Signal für die ganze Wirtschaftregion sein.

Wir fragen:
Soll die Verleihung der höchsten universitären Ehrenbekundung dazu dienen, neue potentielle Finanzierungsquellen zu erschließen?
Ist Rudolf August Oetker tatsächlich der geeignete Mann für eine Ehrenbürgerschaft der Universität?
Darf eine Universität bei der Ehrung einer Person trennen zwischen dessen Verdiensten für die Universität und seiner politischen Haltung?

Unterstützt von AStA, AntiFa-AG, IA FrauenLesben-Referat,
Schwulen-Referat, Liste Superschwul und der ghg*ol

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