Ist ein Hallenumbau nur ein Hallenumbau?

Erweiterung der Debatte um die Pläne zum Hallenumbau des Rektorats

Seit ca. einem halben Jahr wird an der Uni Bielefeld der Umbau der Unihalle
diskutiert. Im Dezember 04 hat das Rektorat in Kooperation mit dem
„Ästhetischen Zentrum“ ein Papier herausgegeben, das über die bestehenden
Pläne informiert. Die Halle soll umgestaltet werden, um die Attraktivität und die
Funktionalität des Unigebäudes zu steigern. Begründet wird dies im wesentlichen
damit, dass die Uni Bielefeld „unter wachsendem Wettbewerbsdruck um
Studierende, Lehrende, Drittmittel, Sponsoren etc. gehalten ist, ihr besonderes
,Profil’ zu finden“ (Rektoratspapier 8.12.04, s.AtsA-Homepage). Die geplanten
Maßnahmen richten sich zunächst vor allem auf die Gestaltung der Wände und
die Möblierung der Unihalle. So sollen die Pinnwände und Litfasssäulen mit all
den Gesuchszetteln und Veranstaltungshinweisen weitestgehend entfernt
werden und stattdessen elektronische Anzeigetafeln, Infoterminals mit
Inter-/Intranetanschluss und ein Infopavillon installiert werden. Die Kontaktbananen
sollen ersetzt werden durch neue Sitzgelegenheiten und auf der Galerie sollen mehr
festgeschraubte Hocker und Tische angebracht werden. Dazu gibt es Vorschläge
für ein neues Café und die Nutzbarmachung der Dachgärten.

Der AstA sowie einige andere studentische Gruppen wie Fachschaften und
eine der politischen Hochschulgruppen haben bereits in den ersten Monaten
des Jahres ihre Kritik an der Planung des Rektorats formuliert. Ein Großteil
der Kritik bezieht sich dabei auf die Tatsache, dass das Rektorat die
Studierendenschaft nicht in die Planung einbezogen hat und diese erst recht
spät informiert hat. Zu Recht wird die Umgehung sämtlicher demokratischer
Entscheidungsfindungsgremien innerhalb der Universität einschließlich des
Senates kritisiert. Teilweise geht die Kritik auch darüber hinaus, so vor allem
von der Fachschaft DSE (s. AstA- Homepage).

:uniLinks! möchte die Debatte aufgreifen, sich der bereits formulierten Kritik
anschließen, jedoch die Schwerpunksetzung wesentlich verschieben. Die
Nicht-Einbeziehung der studentischen Gremien ist scharf zu kritisieren, aber
unseren Ermessens nach gilt es, die Vorhaben des Rektorates in einen weiteren
gesellschaftspolitischen Kontext zu stellen um zu einer grundsätzlicheren
Kritik zu kommen.

:uniLinks! betrachtet den geplanten Hallenumbau vor dem Hintergrund der
seit Mitte der 90er Jahre in der BRD vorangetriebenen Umstrukturierung
öffentlichen Raums. Innenstädte, Bahnhöfe und Parks wurden und werden
vermehrt privatisiert. Der Raum wird verstärkten Kontrollmaßnahmen unterzogen,
Kameras werden installiert und private Sicherheitsdienste beauftragt. Aus
Fußgängerzonen werden Shoppingmalls oder Einkaufspassagen mit privatem
Hausrecht. Die Innenstädte konnten und können auf diese Weise effektiver
von „unerwünschten“ Menschen, wie Obdachlosen, StraßenkünstlerInnen,
MigrantInnen, DrogenuserInnen, Punks und WagenplatzbewohnerInnen
„befreit“ werden, also all denjenigen, die meistens einkommensschwach
sind und nicht am Konsum teilnehmen können oder wollen. Hier verschränken
sich die Maßnahmen mit einem meistens rassitischen Sicherheitsdiskurs. All dies
kann hier nur angedeutet werden, für Bielefeld sei jedoch an die Kamerainstallation
im Ravensberger Park erinnert, die mit der Begründung von angeblich mehr
Sicherheit zu einem Verdrängen der schwulen „Cruising“Area führte.

Begründet werden die beschriebenen Maßnahmen mit dem verstärkten Wettbewerb
der Städte und Gemeinden untereinander, um vermeintlich Arbeitsplätze schaffende
InvestorInnen und TouristInnen. Das unter neoliberalen und postfordistischen
politisch eingerichteten Bedingungen flexibler gewordene Kapital muss fortan
mit allen Mitteln angelockt werden. Man will in den Innenstädten ideale Bedingungen
für eine Mittelschichts-orientierte Konsum- und Entertainmentwelt schaffen.
Wer in diese Welt nicht passt, muss gehen. Die aus dieser Politik entstehenden
Kämpfe um öffentliche Räume gehen bis heute unvermindert weiter. Wir erinnern
uns an die Räumung des Wagenplatzes „Bambule“ in Hamburg Ende vorletzten
Jahres und die bevorstehende Räumung sozialen Zentrums in der Berliner
Yorkstr. 59. Wohin das Ganze unter anderem führt, lässt sich z.B. ablesen an
bizarren Anekdoten aus Köln, wo es seit kurzem bei Androhung von Bußgeld
verboten ist, Nahrungsmittelreste aus öffentlichen Abfalleimern zu holen. Dies
schädige das Stadtbild und das Image der Stadt und zudem sei man über die
Gesundheit der Menschen besorgt, da die Nahrungsmittel doch oft verdorben seien (!!).

Diese gesamtgesellschaftliche Situation spiegelt sich schon seit längerem
auch an der Uni Bielefeld wieder.
An Wochenenden und Feiertagen wird
Menschen ohne Studierendenausweis oder Schlüssel der Zutritt verweigert,
Mensa und Hallenbad sind nur mit Studentenwerkskarte zu betreten. So
werden unerwünschte NutzerInnen der Infrastruktur an der Uni ausgeschlossen;
natürlich auch hier mit der Begründung von angeblich zu hohen Kosten
und Sicherheitsrisiken. Mit dem Hallenumbau und der durch das Rektorat
angeführten Begründung zieht nun ein weiteres Stück der kapitalistischen
Verwertungslogik in die Uni ein. Auch die Unis sind in Deutschland nun im Rahmen
der Autonomieregelungen einem verstärktem Wettbewerb untereinander
ausgesetzt und dies natürlich auch im internationalen Rahmen. Für diese
Herausforderung will man sich nun fit machen. Im Falle der Unis sind die
InvestorInnen vor allem Firmen und Stiftungen, die zweckgebundene Gelder,
die sog. Drittmittel, zur Verfügung stellen. Die Frage nach der wissenschaftlichen
Freiheit von Forschung und Lehre sowie der Möglichkeit einer Bildung, die sich
notwendigerweise mit Emanzipation und der Beförderung von Kritikfähigkeit
verbindet, gilt es an diesem Punkt zu stelle.

Wie die Innenstädte zu sauberen Konsumzonen, soll die Uni nun zu
einer ordentlichen und übersichtlichen Ausbildungseinrichtung werden
.
Die Gestaltung des Gebäudes geht Hand in Hand mit der Umstrukturierung
des Studiums selbst durch die Einführung der BA/MA – Studiengänge. Auch
die neuen Studiengänge treiben die allgemeine Verwertbarmachung voran.
Die BA-Studierenden bekommen ein notwendiges Grundwissen im Sinne
einer Ausbildung vermittelt, um für die qualifiziertere Lohnarbeit gewappnet
zu sein und werden dann möglichst jung auf den Arbeitsmarkt geworfen.
Kritisches und eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten scheint hier nicht
mehr erwünscht. Die Elite unter ihnen wird mittels der Trennung in BA und MA
ausselektiert. Dies ist im Kontext des Hallenumbaus zu betrachten, jedoch
ist kein notwendiger Zusammenhang von Hallenumbau und neuen Studiengängen
gegeben wie das Rektorat in seinem Papier suggeriert. Deutlich wird jedoch,
dass die Verwertungslogik auf allen Ebenen immer mehr in den Universitätsbetrieb
einzieht. Auf die ebenfalls stattfindenden Veränderungen der Berufungspraxis
des wissenschaftlichen Personal kann hier nur hingewiesen werden
(vgl. dazu z.B.: Sonderheft der Frankfurter Studierendenzeitschrift DISKUS,
10/2004, www.copyriot.com/diskus).

Vor diesem Hintergrund betrachtet :uniLinks! den geplanten Hallenumbau als
Teil der vom Rektorat betriebenen Standortpolitik im Rahmen eines sich unter
neoliberalen Vorzeichen umstrukturierenden gesellschaftlichen Feldes. Die
gemeinsame Erarbeitung der Pläne mit einer unizugehörigen Einrichtung, die
sich „Ästhetisches Zentrum“ nennt, muss vor diesem Hintergrund als semantisches
Tarnmäntelchen entlarvt werden. „Ästhetik“ steht hier als Chiffre für Sauberkeit
und Ordnung im Dienste der Verwertungslogik. „Ästhetik“ bedeutet Normierung
bzw. Normalisierung. Zum Ausgangspunkt wird hier nicht ein realer Missstand
genommen, der von den NutzerInnen der Halle, den Studierenden, als solcher
empfunden wird, wie die zum Teil nicht Rollstuhl-gerechten Bereiche an der Uni,
auf die der AstA zu Recht hinweist. Stattdessen bezieht sich das Rektorat auf
das subjektive Ordnungsempfinden einer kleinen Gruppe, die das Rektoratspapier
erarbeitet hat. Die Bewahrung der Kritikfähigkeit und Selbstbestimmung der
Studierenden ist gegen die Pläne des Rektorates zu verteidigen, welches mit
dem Hallenumbau dafür sorgen will, dass Informationen statt wie bisher
ungeordnet in Form der Pinnwände und Litfasssäulen nun nach Zielgruppen
gebündelt auf entsprechenden Infowänden zusammenfassen lassen will.
:uniLinks! sieht in dieser Politik eine antiemanzipatorische Umgangsweise mit
Informationen bzw. Wissen. Darüber hinaus wird die Freiheit der politischen
Äußerung im sozialen Raum Universität durch das Ersetzen von Pinnwänden durch
elektronische Anschlagtafeln sanktioniert und kontrolliert. Es ist anzunehmen,
dass nicht jede/r anonym Beiträge auf die Tafel setzen können wird.

Der Jargon der zwingenden Notwendigkeit, den das Rektorat in seinem Papier
wählt, ist Teil einer typischen neoliberal-repressiven politischen Strategie. Es gibt
keine objektiven Missstände, keinen Zeitdruck, keine Knappheit sondern nur
getarnte Interessen. Dass es hier nicht nur um äußerlich gestalterische Maßnahmen
geht, sondern auch um Subjektivierung im Sinne von Disziplinierung ist ebenfalls
dem Rektoratspapier zu entnehmen, wenn davon die Rede ist, dass mit den
geplanten Maßnahmen auch ein neuer „Verhaltenskodex“ eingeführt werden
soll (Rektoratspapier S.7).

Der Hallenumbau muss in den oben beschriebenen gesellschaftspolitischen
Kontext eingeordnet werden und mit dieser Perspektive eine weitergehende
und Kritik an der derzeitigen Politik des Rektorates zu formuliert werden als
dies bisher geschehen ist. Der Hallenumbau sollte als Aufhänger für eine
grundsätzliche Kritik am hegemonialen neoliberalen Diskurs im Bereich
der Bildungspolitik sowie der Raum- und Innenpolitik in Deutschland genutzt
werden:

:uniLinks! wendet sich in diesem Sinne gegen die weitere
Verwertbarmachung von Wissenschaft und Hochschule, gegen den
weiteren Ausbau der Drittmittelfinanzierung, gegen die Abschaffung der
Magister- und Diplomstudiengänge, gegen einen nach Standortlogik
begründeten Hallenumbau und die damit einhergehende Sanktionierung
und Kontrolle von Information und politischer Artikulation in der Universität

:uniLinks! liebäugelt in diesem Sinne mit einer freien Bildung im Sinne von
Emanzipation und Kritikfähigkeit, mit einer Universität als sozialem Raum
für leben, lernen, politische Arbeit, nicht-kommerziellen Kulturbetrieb
und freien, selbstbestimmten Informationsaustausch.

Das Rektorat muss daran gehindert werden, seine Vorhaben durchzusetzen.
Der Plan, den Hallenumbau in der vorlesungsfreien Zeit möglichst ungestört
durchzuführen muss durchkreuzt werden.

Für freies Plakatieren in der Universität! Rettet die Wandzeitungen!
„Entrümpelung“ der Halle stoppen! – Für freie Infotische!

Gegen chillen im Dachgarten und die Begrünung der Halle haben wir
übrigens gar nichts einzuwenden, schließen uns aber vor allem der
Fachschaft Technik, mit der Forderung nach dem Pool im Dachgarten und
dem Wasserfall von V 10 sowie der Einrichtung der Cocktailbar an
(s. Stellungnahme Fachschaft Technik auf der AstA-Homepage),
aber bitte alles für alle und zwar umsonst!

Liste 10 :uniLinks!

Der Flyer als pdf_Ist ein Hallenumbau nur ein Hallenumbau

Dieser Beitrag wurde unter 2005, Hochschulpolitik abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.